so brenn’ auch ich
Performance
Januar 2024
Akademie der bildenden Künste, Wien
Licht und Technik: Philipp Lossau, Voxi Bärenklau
Die Performance fand in der Dunkelkammer der Bühnenbildklasse statt - ein Raum, der für die Beleuchtung und Dokumentation von Bühnenmodellen verwendet wird. Die Arbeit untersuchte den Theaterscheinwerfer und verschiedene [Un]Sichtbarkeitsverhältnisse in theatralen Räumen. Dabei wurde das Licht als Voraussetzung dafür verstanden, Gezeigtes erfassen und begreifen zu können. In welchem Verhältnis steht der existierende Raum zu dem imaginierten [Bühnen]Raum? Inwieweit lassen sich diese beiden Räume voneinander trennen? Und was verrät uns das Theater über sich selbst, wenn es erst Dinge in der Dunkelheit verschwinden lassen muss, damit Anderes sichtbar werden kann?
Der Ort der Dunkelkammer wurde mit der Verwendung von Bühnenscheinwerfern, der Erprobung von künstlichen Lichtverhältnissen und der Herstellung von Finsternis und Fiktion ins Verhältnis gesetzt. Den letzten Teil der Performance bildete ein Duett zwischen mir und einem Moving Light.
Die Shirts mit der Aufschrift „scared of what you cant control“ standen zum freien Verkauf.
VIDEO
TEXT
Hallo. Herzlich Willkommen in der Lichtkammer der Bühnenbild-Klasse zu der Performance „so brenn’ auch ich“. Mein Name ist Emil Borgeest. Schön, dass Sie da sind.
Der Raum in dem wir uns hier versammeln, wird - wenn nicht gerade als Lager- oder Ausstellungsort - für die Beleuchtung und Dokumentation von Bühnenmodellen verwendet. Die im Laufe eines Semesters entstehenden Entwürfe werden hier mit verschieden großen Scheinwerfern, Lampen und Lichtern ausgeleuchtet um sie dann - in einem zweiten Schritt - zu fotografieren. Die einzelnen Lichtstimmungen (mal dunkel und geheimnisvoll, mal einzelne Details des Entwurfs versteckend um auf andere hinweisen zu können, mal so hell wie der Tag selbst) sollen die Nutz- und Wandelbarkeit des eigenen Modells untersuchen. Hier wird also im Kleinen das erprobt, was zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden wird bzw. stattfinden kann. Denn nur in manchen Fällen findet der Entwurf seinen Einzug in ein Theater um dort durch verschiedene Werkstätten (bzw. durch die Expert*innen die in diesen Werkstätten arbeiten) in einem größeren Maßstab hergestellt zu werden. Dem Maßstab 1:1, also dem Maßstab der uns umgebenden Welt. Eine Welt die - davon wird ausgegangen - bei der Fertigstellung und Verwendung des Bühnenbilds noch so sein wird wie wir sie kennen.
Während das Theater den Eventualitäten einer Zukunft gewappnet zu sein scheint (oder wir zumindest fest daran glauben), bleibt uns trotzdem ihr tatsächlicher Verlauf für immer ungewiss. Anstelle dieser Ungewissheit stellen wir also das beleuchtete Modell, das uns das unbekannte Terrain dieser bald stattfindenden Zeit testen und erproben lässt und uns zeigt, dass das was kommt imaginiert und vielleicht auch so etwas wie gut werden kann.
Licht / Emil schließt die Klappen des Scheinwerfers
Die Wände die diesen Raum definieren, wurden errichtet um das von außen kommende Licht auszugrenzen - sei es das Tageslicht, das durch die großen Atelierfenster dringt oder das künstliche Licht, das den Klassenraum in Momenten der Nacht erhellt.
So finden wir eine Kammer vor, die von ewiger Dunkelheit erfasst ist und *uns* - also die Personen die diesen Raum betreten und nutzen wollen - dazu auffordert, für das mangelnde Licht einen Ersatz zu finden. So ist es nicht mehr die Sonne die uns die Dimensionen der Welt vor Augen führt und dessen An- und Abwesenheiten wir uns gezwungenermaßen fügen müssen, sondern eine technische Entsprechung. Es werden Scheinwerfer und Lampen angeschlossen, um das sichtbar zu machen, was bis eben noch verborgen und unsichtbar war. So ermöglicht der Scheinwerfer die kontrollierbare Verwendung von Licht und seinen Verhältnissen. In Momenten und an Orten ewig währender Finsternis nutzen wir also ein Abbild des brennenden Sterns und gestalten seine Verwendung. Dabei geht es nicht nur um die Frage, ob etwas sichtbar wird oder nicht, sondern auch wie etwas sichtbar wird. Also was unsichtbar gemacht werden muss damit Anderes sicht- und und dadurch neu betrachtbar werden kann.
Das *Black* ist ein gängiges theatrales Mittel, in dem für einen kurzen Zeitraum auf die Verwendung von Scheinwerfern verzichtet wird, um so im Theaterraum eine größtmögliche (im besten Fall eine totale) Dunkelheit herstellen zu können. Es markiert häufig den Anfang und / oder das Ende einer Aufführung bzw. den Übergang von etwas Geschehenem hin zu Etwas, das noch geschehen wird. Dem Moment des Sehens wird also ein Moment des Nicht-Sehens entgegensetzt - ein kurzer Zeitraum der Finsternis, in dem vorangegangene Ereignisse nachwirken und in dem sich die Anwesenden auf den nächsten Moment eines (Wieder)Sehens vorbereiten (und vielleicht auch freuen) können.
Licht / Emil macht den Scheinwerfer aus
Philipp gibt Musik / Bearbeitung Orfeo ed Euridice (leise + kurz)
Emil tanzt
Licht / weiterhin *aus*
auswendig
Man kann sagen, dass die Lichtkammer - ähnlich wie das Theater - vom Zustand des Nicht-Sehens ausgeht. Denn auch das Theater - oder genauer gesagt die Architektur eines Bühnenraums - schafft in den meisten Fällen den Zustand einer ewig andauernden Finsternis. Die fensterlosen Mauern die in einer entfernten Vergangenheit errichtet wurden und dessen Innenseiten häufig mit schwarzer Farbe bemalt und mit langen schwarzen Vorhängen ausgestattet worden sind, definieren einen Raum, der - genauso wie die Lichtkammer - dem unkontrollierbaren Sonnenlicht keinen Zutritt gewährt. In einem zweiten Schritt wurde festgestellt, dass das ausgegrenzte Licht im Inneren des Raumes fehlt. So wurde auch hier (also im Theater) ein kontrollierbarer Ersatz für das abwesende Licht gefunden und an eiserne Stangen montiert. Die oft unzähligen Scheinwerfer schweben dann in schwindligen und nur schwer erreichbaren Höhen über uns. Sie sind stumme Beobachter*innen des unter ihnen stattfindenden Bühnengeschehens. Richtet man (als eine Person, die unter den Scheinwerfern steht oder sitzt ) seinen Blick nach oben, in ihre Richtung, so entsteht der Eindruck eines Nachthimmels, dessen Ende nur schwer abzuschätzen ist. So erinnert uns der Bühnenhimmel immer wieder daran, dass es so etwas wie das unendliche Außen gibt, dessen Dimensionen die Architektur unseres Denkens bei Weitem übersteigt.
Licht / Philipp macht 3 Deckenlampen vorsichtig an
Emil betätigt den Nebel
wenn der Nebel verschwunden ist
Bei Nacht, wenn die Sonne andere Teile der Welt beleuchtet, verwandelt sich die uns umgebende, städtische Welt in so etwas wie ein Theater. Je dunkler es wird, desto mehr gleichen sich die Lichtverhältnisse des Außens an die Lichtverhältnisse eines Theaters an. Straßenlaternen und Oberleitungen an denen Lampen installiert sind, schenken uns Orientierung auf den Wegen die wir gehen - zum Beispiel zu dem Ort, den wir unser Zuhause nennen. Blicken wir auch hier nach oben, sehen wir nur in seltenen Fällen die Sterne. Aber immer die über uns schwebenden Lampen und Laternen, die uns - wie die Scheinwerfer im Bühnenhimmel - an die Existenz anderer und größerer Dimensionen erinnern. Das was erst wieder nach Sonnenaufgang - also bei Tageslicht - gesehen wird (zum Beispiel von uns) verschwindet bei sternloser Nacht in der Dunkelheit.
Was genau in dem Moment der Finsternis (ob draußen in der Welt oder im Theater) mit dem eben noch sichtbaren Gegenstand passiert, bleibt ungewiss. Niemand weiß, ob sich der Gegentand in der Dunkelheit einmal um sich selbst dreht, ob er für kurz verschwindet oder seine Form verändert um dann wieder zu seiner ursprünglichen Form zurückzukehren. Wir wissen es nicht, weil wir einen Gegenstand in der Dunkelheit nicht sehen. Ohne die Anstrengung der Scheinwerfer und der Menschen die sie bedienen, wüssten wir also nicht was vor uns ist. Wir würden rätseln und Vermutungen aufstellen. Eventuell würden wir versuchen mit anderen Sinnen herauszufinden, was um uns ist. Aber solange der zu erkennende Gegenstand nicht in unmittelbarer Nähe ist (zum Beispiel weil sich zwischen den Schauenden und dem Gezeigten eine Vorbühne oder ein anderes Hindernis auftut) brauchen wir das Licht, um um die Existenz des zu betrachtenden Gegenstands zu wissen. Das Licht ist also die Voraussetzung dafür, dass es Welt gibt. Wir brauchen es, um zu wissen, dass sie da sind, dass es sie gibt, die Dinge. Wir brauchen es, wie wir die Sonne zum leben brauchen. Ähnlich wie das beleuchtete Modell, das uns zeigt, das eine noch nicht existierende Welt imaginiert und erprobt werden kann, hilft uns das Theater in Momenten ewig wirkender Finsternis, indem es mit aller Kraft auf die diese neuen Welten leuchtet und uns dadurch zeigt, dass sie tatsächlich existieren und realisiert werden können.
Licht / Emil macht 3 Deckenlampen aus
Musik / Philipp macht Bearbeitung Orfeo ed Euridice an (laut und lang)
Licht / Philipp cue moving light Fahrt
Nach Fade Out
Licht / Philipp fährt Moving Light wieder hoch
Emil mit Zettel unter Scheinwerfer
Wenn man etwas gut Beleuchtetes lange anschaut und dann die Augen schließt, sieht man dasselbe vor dem inneren Auge nochmal, als unbewegtes Nachbild, in dem das, was eigentlich dunkel war, hell erscheint. Wenn man zum Beispiel einem Mann nachsieht, der die Straße hinuntergeht und sich immer wieder umdreht, um einem ein letztes Mal zuzuwinken, und dann die Augen schließt, sieht man hinter den Lidern die angehaltene Bewegung des Winkens, das angehaltene Lächeln. Und die dunklen Haare des Mannes sind dann hell. Und seine hellen Augen sind dann sehr dunkel.
Wenn das, was man lange angeschaut hat, etwas Bedeutsames war, dann taucht dieses Nachbild immer wieder auf. Auch Jahre später ist es plötzlich wieder da, ganz egal was man eigentlich gerade angesehen hat, bevor man die Augen schloss. Das Nachbild dieses Mannes, der zum letzten Mal winkt, taucht plötzlich auf wenn man die Augen schließt weil man jemanden küsst. Oder wenn man in einem Bett liegt - zum Beispiel dem eigenen. Wenn man die Augen schließt, weil man etwas sehr schweres hochhebt. Oder kurz bevor man endlich mit etwas Wichtigem herausrückt, bevor man beispielsweise sagt „ich liebe dich“ oder „ich dich aber nicht“. Immer wieder taucht plötzlich dieses Nachbild auf, dieses eine ganz bestimmte. Es taucht auf und oft dann wenn man überhaupt nicht damit rechnet.
Musik / Cue Philipp Tonada de Luna Llena
Licht / Cue Philipp moving light Fahrt
Emil nebelt
Emil tanzt
Licht / *aus*
moving light fährt noch ein bisschen
Ende
Licht / *Auslass* mit drei Deckenlampen
Musik
Orfeo ed Euridice / Gluck
Act 1, Scene 1, Coro: Ah, se intorno a quest’urna funesta
Tonada de luna llena / Simón Díaz